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Der emotionale Juli, Teil 2 – Lukas letzte Chance?

Ende Juli gilt bei den Rennfahrern eigentlich nur eins: ab zur Nürburg!

Hier wartet der legendäre Nürburgring, die grüne Hölle – zurecht. Die Fahrer machen diesen brettharten Kurs zum sadistischen, selbstgeiselnden Ritt.

Aber erstmal von vorne. Anfang Juli nahm ich nach Spanien/Katalonien das Rennrad in den Urlaub, um in den Bergen mir den feinschliff für den Nürburgring zu holen. Lange Anstiege, bestes Wetter, ein HC Berg der vor Schönheit und Grausamkeit zugleich seines Gleichen sucht. Alles war auf Power, Power und nochmals Power ausgelegt.

Die Hausaufgaben gemacht.

Zurück gab es privat einiges zu regeln und so wurde in der anschliessenden freien Arbeitswoche doch nicht so viel Rad gefahren wie gewünscht. Ehe ich mich versah war schon Tapering angesagt. Ich merkte seit Montag die Anspannung in mir. Meine Gedanken drehten sich beim Training, im Bett Nachts und in kurzen Tagträumen um den Rennverlauf.

Abschalten war nicht möglich.

Die herbe Niederlage, der schon jahrelange bestehende Traum ging mit einem 5. Platz Gesamt 2022 nicht in Erfüllung und wirkte bis in die Wintermonate noch nach. Alle herzlichen Kommentare und gutes Zureden meiner Radler Kollegen und Freunde half nur bedingt. Zu schwer überwog das verfehlte Ziel – diesen Pokal im Einzel sich zu holen.

Also machte ich mich an die Arbeit. Weitere 40 Watt an Leistung kamen dazu. Erstes Rennen der Saison – erstes Podium.  Weitere Rennen = weitere persönliche Rekorde.

„Ich war zum allerersten Mal, so richtig handlungsfähig“

Und dann ist es so weit. Der Nürburgring lockt. Der Sohn setzt ganz klar voraus – dieses Jahr ist der Pokal DEINER! Teamkollegen äußern das Gleiche. Dadurch wird der Druck nicht gerade weniger.

Beim warmfahren gibt es keinen Grundlagenpuls. Meine GarminWatch meldet hohen Stresspegel. Windböen am Schumacher S bereiten mir Sorgen. Meine Angst – die Fuchsröhre! Windanfällig bei 60mm Felge und damals bei über 90 Km/h von einem Wahnsinnigen mit dem Ellbogen gestriffen.

Im Startblock erspähe ich Chrstian. Christian kommt aus Österreich und war letztes Jahr Gesamt- Zweiter. Mit einer für nicht möglich gehaltenen Leistung, Fahrstil und Weise. Mir war klar, dies wird der Mann sein, den es zu schlagen gilt. Die Stimmung ist locker im Block, wir reden untereinander viel – dies löst auch mich von den Gedanken. All‘ die Szenarien im Vorfeld werden beim Start weggeworfen (letztes Jahr fuhr das Feld recht gemütlich über die Grand Prix Strecke), mit dem Wind will ich nicht in einer Gruppe in die Abfahrt gehen.

Knallgas 1095 Watt

Entweder ich gehe unter oder der Plan geht auf schoss ich nach Vorne. Eine Lücke entstand sofort und Christian musste sie schliessen. In Einerreihe mit Abständen fuhr jeder bei sehr hohem Tempo manchmal zickzack oder linksseitig, rufend der Abfahrt entgegen. Jede Welle wurde hart gefahren. Auch dieses Jahr machte ich fast Bekanntschaft mit dem Kiesbett und fuhr auf den weiß/roten Randstreifen um irgendwie das Feld hinter mir in Nöte zu bringen.

400, 600, 800 Watt der Wattmesser hatte sicherlich seine Freude.

Die Beine und der Kopf sind gut!

Ich spreche mit mir in der Abfahrt. Versuche mich zu fokussieren. Keinen Fahrfehler mir zu leisten. Christian, Dirk Esser und ich arbeiten zusammen. Ob Jemand noch dranhängt – keine Ahnung. Es wird aus allen Rohren geballert. Jede Welle, jede Gegensteigung, die Kette ist voll auf Zug! Wir fliegen an Tapani vorbei der die 75KM in Angriff nimmt. Wir sind wirklich sauschnell.

Fuchsröhre – ich mache mich klein, das Vorderrad wackelt, ich zittere nicht, das Rad ist nicht locker. Irgendwie versteift und mit ungutem Gefühl knall ich Dirk und Christian in der Steigung hinterher.

Anschluss

Ich übernehme die Führung, fahre sogar einen kleinen Abstand ins Tal heraus und sage mir „nun gilt es!“ Was mir weh tut – muss den Anderen auch Schmerzen bereiten.

Kampf zur hohen Acht

Christian schliesst die Lücke und setzt sich vor mich. Was in den nächsten Minuten passiert, werde ich nie vergessen! Christian 85 kg vs ich 75kg. Allein angenommen 4watt/kg = 40 Watt mehr Leistung bei gleichem Tempo nötig. So weit so gut. Sein extremer Fahrstil flackert durch – er, ich  muss es wirklich so schreiben – vergewaltigt regelrecht sein Fahrrad!!!! Er hackt eckig in die Pedale und entfacht eine für mich unvorstellbare Kraft. Ich schaue auf meinen Wattmesser, traue meinen Augen nicht und bleibe ruhig. Ich fühle mich immer noch gut.

An der Startlinie sah ich das Christian einen Beißschutz sich in den Mund schob. 

Wir fahren zu Zweit die hohe Acht hinauf. Viel schneller als alle Anderen. Dustin holen wir ein. Er ist auch für die 75Km gemeldet. Er ruft mir zu. Ich habe keine Zeit zu antworten und mich nach Hinten umzudrehen. Später weiß ich, wir sind noch zu Zweit. Der erste Kilometer ist rum und mein Garmin kommt nie unter 380 Watt.

5 Minuten und ich trete stetig 380 – 420 Watt

Chrsitian geht aus dem Sattel, setzt noch einen drauf 450, 480 Watt. Ich bin am Anschlag! Das kann doch nicht sein – FALL DOCH ENDLICH (in seiner Leistung)! Nein. Bei mir geht der Ofen einfach so aus. Gar nicht zu viel Schmerz, gar nicht der Kopf. Einfach PUFF. Die Lücke geht ganz langsam auf. Wir holen Jochen ein der ebenso auf der 75 km Distanz unterwegs ist. Er schaut zu mir und setzt sich vor mich. Ich fiel unter 300 Watt und fange mich wieder mit paar Ausreissern bei 320 bis 350 Watt.

Der Abstand vergrößert sich – aber ich liege auf Kurs.

Jochen sagt „und Tschüss“ (hat ja noch 2 Runden mehr zu fahren) und geht aus der Führung. Ich habe wieder in den Tritt gefunden. und beende den Anstieg zur hohen Acht mit einer Durchschnitts-Leistung von 340 Watt auf knapp über 13 Min.

Dirk kommt von Hinten an mich heran gefahren. Tags zuvor hatte er beim Zeitfahren am Nürburgring einen tollen 16. Platz belegt, um Heute nochmals solchen Wahnsinnsritt hinzulegen. Durch seine Pacingstrategie und weniger verbrauchte Körner ist er nun mir gegenüber im Vorteil. Zusammen wechseln wir uns in der Führung ab, wobei er mehr führt. Ich kann das Tempo mitgehen. Die Fahrer die auf unseren Zug aufspringen wollen, werden bei jeder Welle hinten raus geschossen um wieder selbst ihr Rennen in Angriff zu nehmen.

Letzter Hügel

ich spüre das mein Tank so gut wie leer ist. Fahre als Erster hinein und werde mit der Steigung langsamer. Dirk hat dies sicherlich gemerkt und geht in den Wiegetritt. Ich kann nicht reagieren und fahre meinen Stiefel so gut es geht nach Oben. Nochmals 400 Watt anpeilend alles geben. Auf der Zielgeraden komme ich nicht mehr über 37Km/h. Mache mich klein und gebe mir den Rest.

Mit Blutgeschmack in Nase, Mund und Lunge überfahre ich die Ziellinie und bin einfach nur Leer. Meine Family jubelt und mein Traum den ich so sehnlichst die letzten Jahre verfolgt habe ist endlich wahr geworden!

Diesen Pokal kann mir keiner mehr nehmen

Nachdem ich mein Rad verstaut hatte und mich zu Fuß auf den Weg vom Parkplatz zur Siegerehrung machte, blickte ich in den Himmel. Die Sonne kam hinter einer Wolke hervor. Um mich herum Stille, auf dem Nürburgring die Hölle los. Meine Gedanken bei Oma, ein Kloß im Hals – „ich habs“ denke ich. Schaue nach vorne und gehe wieder in die grüne Hölle, wo Familie und Co. auf mich warten.

 

Zahlen zum Rennen:

24,4 km

505 hm

Zeit : 40 min 37 Sekunden

Schnitt 36,1 km/h

10 Min Leistung am Berg: 357 Watt im Durchschnitt

30 Min Leistung : 308 Watt im Durchschnitt

NP Leistung Gesamtes Rennen 330 Watt

Höchstgeschwindigkeit 92 Km/h

3. Gesamt

2. AK

 

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